Jeder erkannte Irrtum ist ein weiterer Schritt nach vorn

«Ich bin nicht entmutigt, denn jeder erkannte Irrtum ist ein weiterer Schritt nach vorn», sagte einst Thomas Alva Edison. Dem kann ich mich nur anschliessen: ich bin zuversichtlich, dass die vorliegende Volksinitiative vom Stimmvolk des Kantons Zürich verworfen wird.

Damit wäre eigentlich bereits alles gesagt, aber so leicht kann ich es mir ja auch nicht machen:

 

 

In der Gesellschaft im Jahr 2016 leben vielfältige Lebensformen und die Zivilstände wechseln. Die Ehe ist nicht die einzige Form der gegenseitigen Verbindlichkeit und Verantwortung, wie die EDU behauptet. So schreibt sie in ihrem Argumentarium zur vorliegenden Volksinitative, dass beispielsweise das Konkubinat keine vergleichbare moralische Qualität ausweise, da diese Beziehung von individuellen Freiheiten und nicht von gegenseitigen Verpflichtungen und gemeinsamer Zielsetzung gekennzeichnet ist. Das finde ich eine gewagte Aussage – und es würde mich doch sehr wundernehmen, ob die im Kanton Zürich lebenden Konkubinatspaare ihre Beziehung auch als frei von Verpflichtungen und gemeinsamen Zielen bezeichnen würden. Weiter behauptet die EDU dann auch noch, dass die Pflicht zur Treue in einem Konkubinat fehle. Ich mache ungern darauf aufmerksam, dass im Kanton Zürich jede zweite Ehe geschieden wird. Da frage ich mich doch ganz naiv, ob da vielleicht nicht die eine oder anderen Ehe wegen Untreue in die Brüche ging.

 

 

Die vorliegende kantonale Volksinitiative entspricht nicht dem Gesellschaftsbild im 21. Jahrhundert. Stützen kann ich mich bei dieser Aussage auf die Abstimmungsergebnisse der CVP-Initiative vor ein paar Monaten: Im Kanton Zürich sagten gut 76 000 Stimmende mehr Nein als Ja. In den Städten Zürich und Winterthur war die Ablehnung noch eindeutiger: 68,1 respektive 58,8 Prozent lehnten die Initiative ab.

 
Die EDU behauptet in ihrem Argumentarium, die absolute Mehrheit der erwachsenen Schweizer Bevölkerung sei verheiratet und befürwortet somit diese Art des Zusammenlebens, und zwar in der heutigen Form.

 

 

Analysen zeigten aber, dass sich die Nein-Stimmenden bei der CVP-Initiative vor allem an der Definition der Ehe, als Bündnis zwischen Mann und Frau störten. Aus Solidarität legten sie an der Urne ein „Nein“ ein, auch wenn das im Einzelfall vielleicht bedeutet, dass sie als Verheiratete weiterhin mehr Steuern bezahlen, als als Ledige. In einer Umfrage vom November 2015 haben sich 70,4% der Bevölkerung für die Öffnung der Ehe geäussert.

 

 

Ich will, dass alle Menschen, egal welche sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität sie haben, heiraten und die damit verbundenen Rechte erwerben können. Das ist ein wichtiger Schritt zu einer rechtsgleichen, solidarischen und freiheitlichen Gesellschaft.

 

 

Die vorliegende Volksinitiative spaltet die Gesellschaft: Sie grenzt einen Teil der Menschen aus, die nicht in das konservative Beziehungsmodell passen und privilegiert andere. Zudem empfinde ich eine Definition der Ehe als Grundrecht auf kantonaler Verfassungsstufe als unnötig.

 

 

Zwei Menschen sollen aus Liebe und Verbundenheit den Bund der Ehe eingehen. Sie verpflichten sich damit moralisch, für einander da zu sein, in guten wie in schlechten Tagen und für einander Verantwortung zu übernehmen. Das ist für die SP unabhängig vom Geschlecht möglich. In der Ehe ist die Liebe wichtig, nicht das Geschlecht.

 

 

Ich möchte die Gelegenheit hier auch nutzen, um meine Irritation über die Volksinitiative der EDU zum Ausdruck zu bringen: warum gönnen Sie anderen Lebensformen die Privilegien nicht, die sie mit der Eheschliessung erhalten haben? Ich frage mich schon, wovor die EDU denn Angst hat – was wird dem einzelnen weggenommen, wenn wir als Gesellschaft offen sind und auch anderen die Privilegien der Ehe zugestehen?

 

 

Ich kann die Bedenken nicht ein bisschen nachvollziehen. Wenn ich mich aber in meinem Bekannten- und Freundeskreis so umschaue, dann habe ich den Eindruck, dass hier einfach ein Generationenproblem vorliegt. Und das stimmt mich hoffnungsvoll!

 

 

Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Schweiz einen Schritt weitergeht und die Ehe für alle Personen öffnet, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Gleichgeschlechtliche Paare sollen wie heterosexuelle Paare bei einer Heirat von einer erleichterten Einbürgerung profitieren können und gemeinsam Kinder adoptieren oder zeugen können. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die im 21. Jahrhundert angekommen ist und erkannt hat, dass schlussendlich nur die Liebe zählt.

 

Die SP lehnt die vorliegende kantonale Volksinitiative ab.